Outing als polyamourös

Poly-Outing

Outing als polyamourös

sich outen [ˈaʊ̯tn̩] – etwas bis dahin Verheimlichtes bekennen, bekannt machen
Vom gleichbedeutenden englischen Wort „to out“ entlehnt

First things first: Das Führen polyamouröser Beziehungen sagt nichts über die Sexualität oder die Genderidentität der beteiligten Personen aus. Das Beziehungskonzept „Poly“ funktioniert für homosexuelle, demisexuelle, bisexuelle, asexuelle (…) Menschen gleichermaßen und hindert oder fördert sie nicht darin, die besagte Sexualität auszuleben.

Trotzdem wird das Outing polyamor lebender Menschen selten losgelöst von sexuellen Vorlieben verstanden – scheinbar berechtigt das Leben in einer alternativen Beziehungsform jedermensch dazu, pikante Fragen der Art „Ach, habt ihr dann auch Sex zu dritt“ oder „Also darfst du fremdvögeln?“ zu stellen.

Hallo, ich bin poly


Bei meinem Outing als polyamor habe ich diese Fragen bisher zum Glück nur sehr selten gehört. Das liegt aber vermutlich auch daran, dass ich mich in Gesprächen eher beiläufig oute, so wie andere Menschen von sich preisgeben, dass sie verheiratet sind. Meistens erzähle ich lustige Funfacts über meine Beziehungen, die sich widersprechen würden, hätte ich nur einen Partner. Mein Gegenüber reagiert verwirrt, ich wappne mich innerlich und sage im Plauderton: „Oh, jaja, ich habe mehrere Partner“ bevor ich die Gesprächsroutine weiterführe. Funktioniert ziemlich gut und trägt für mich so ein bisschen mein eigenes Verständnis von Polyamorie an meine_n Gesprächspartner_in heran: Eine Beziehungsform, in der mehrere Menschen romantisch verbunden sind, ist komplett normal und nicht falsch, solange alle Beteiligten Bescheid wissen und damit einverstanden sind.

Outing als polyamourös
Outing als polyamourös

Das Outing und die liebe Familie


Natürlich gibt es auch Kontexte, in denen das Beiläufige nicht die Bohne funktioniert. Der familiäre zum Beispiel. Das wird spätestens tricky, wenn Familienfeiern anstehen, zu denen man gerne den/die Partner_in mitbringen dürfte – und unmöglich eine Entscheidung treffen kann. Meine Mutter denkt immer noch, ich sei in einer Phase, und meine Oma weiß nach wie vor nicht, dass ich mehrere Partner habe, statt nur den einen, „der so nette Musik hört“. Dabei habe ich es aber noch besonders leicht – ich habe keine Kinder, meine Oma kennt keinen meiner Partner persönlich, ich wohne und arbeite sehr weit entfernt von meiner Familie und lebe in meiner kleinen Singlewohnung nicht mit einem meiner Partner zusammen. All diese Faktoren würden ihren Teil dazu beitragen, dass ich mich outen müsste, oder es zumindest sehr schwer wäre, meine Partner zu verstecken. So kann ich aber sehr frei entscheiden, wem ich wann von meinem Beziehungsleben erzählen möchte.

Muss ich mich überall outen?


Wirklich geoutet bin ich immer noch nicht überall – was aber auch daran liegt, dass die Art, wie ich meine Beziehungen führe, einfach nicht jede_n was angeht und ich schon alleine aus vornehmer Zurückhaltung nicht jedes Gespräch damit einleite. Aber ich gehe offen mit meiner Polyamorie um, auch weil ich meinen Partnern gegenüber fair verhalten und nicht provozieren will, dass sich jemand zurückgestellt fühlt.


Denn was ich wirklich schwierig finde, sind Beziehungen, in denen ein_e Partner_in quasi Vorzeigepartner_in ist und jede weitere Beziehungsperson verheimlicht werden muss, weil kein Outing erfolgen soll/kann/darf. Auch das kommt nicht selten in Polybeziehungen vor und natürlich gibt es auch für diese Konstellation Gründe und Legitimationen. Die beteiligten Personen müssen hier natürlich selbst entscheiden, ob sie damit leben können, eben nicht zu Familien- oder Firmenfeiern mitgenommen zu werden. Da spielt auch die Intensität der Beziehung rein. Wie viel Alltag teile ich mir mit meinem Partner eigentlich? Wie viel möchte ich teilen?

Muss ich mich überall outen
Muss ich mich überall outen

Ich bin poly, und jetzt?


Wenn du überlegst, ob du poly bist, ob du dich outen darfst/sollst/kannst/musst, lass dir eins sagen: Du bist nicht alleine.
Es ist nicht immer einfach und nicht jede Familie hat Verständnis für Beziehungsformen, die vom gesellschaftlichen Mainstream abweichen. Eine tolle Anlaufstelle für Fragen und Sorgen findest du zum Beispiel bei den lieben Menschen vom Queerlexikon: https://queer-lexikon.net/ 

Einen Einblick in die polyamore Liebe und das Poly-Leben bekommst du in Helen Klaus’ Roman “POLY“. Mit deiner Unterstützung kann sie ihren Traum vom Poly-Buch wahrwerden lassen.

Schreib doch den ersten Kommentar :)

Kommentieren