Diversität in der Sprache

Sprache ist Macht

Diversität in der Sprache


Sprache = Macht


Unsere Sprache ist wichtig. Sprache ist Alltag, Sprache ist Basis, Sprache ist mächtig. Unser schlichtes, als selbstverständlich betrachtetes „Miteinander-Quatschen“ ist großer, häufig unbewusster Bestandteil unseres Alltags, übt Einfluss auf unser Denken, unser Leben und unsere Umgebung aus. Daher sollten wir im Idealfall wissen, mit welchen Phrasen und Worten wir da gerade um uns werfen. Und wen wir damit treffen könnten. Und hier kommt Diversität ins Spiel.

Da muss gar keine böse Absicht vorhanden sein. Es reicht schon Unwissenheit.  – „Haha, das sieht total schwul aus.“ „Trump ist doch völlig behindert.“ „Gib mir mal den Negerkuss rüber.“ – Sätze, bei denen man sich vielleicht gar nichts denkt, über die man lacht. Die aber jemandem, der homosexuell, behindert oder schwarz ist, verdammt wehtun können. Gerade deswegen ist ein offener Dialog so wichtig, um Unwissenheit und Verletzungen gleichermaßen zu reduzieren. In den letzten Jahren beginnt man, diesen Dialog mehr zu führen, sich vermehrt mit Diversität zu beschäftigen – und wie man damit umgehen kann. 

Diversität in der Sprache
Diversität in der Sprache

Diversität – was ist das?


Ja gut, aber Diversität – was ist das eigentlich? Ein weiter Begriff, am häufigsten übersetzt mit (kultureller) „Vielfalt“. Vielfalt in unserer Gesellschaft ist Realität. Vielfalt in Literatur und gesellschaftlichem Diskurs leider nicht. Dieses Paradox, dass marginalisierte Gruppen, die eine Stimme haben, keine Plattform bekommen, um sie hörbar zu machen, wird in den letzten Jahren immer mehr zum Thema. Dennoch steht in der deutschsprachigen Literatur die Diversität immer noch ganz am Anfang. Ihr kennt sie alle, die männliche, weiße, gesunde Hauptfigur, in der Blüte ihrer Jahre, heterosexuell natürlich, privilegierter Held durch und durch, er findet seine Prinzessin, sie leben für immer glücklich in monogamer Beziehung, zwei bis drei Kinder, Träumchen. 

Aber findet sich in diesem Happy End jeder wieder? Nämlich nicht. Was ist mit Lesern und Leserinnen, die nach Identifikationsmöglichkeiten in der Literatur suchen und diesem „klassischen“ Bild nicht entsprechen? Die sich auch mal in Bücher vertiefen wollen, die mehr Diversität abbilden. Und da gibt es so viel, über das man schreiben kann: Sexualität, Religion, Geschlecht und Schönheitsbilder, Migrationshintergründe, Normen und Lebenskonzepte, Behinderungen und psychische Erkrankungen.

Raus aus der Stereotypisierierung

Natürlich gibt es Bücher, die eines dieser Themen oder sogar mehrere aufgreifen. Aber nur darüber schreiben, damit ist es noch nicht getan. Zu häufig sind diese Thematiken in der Literatur, wenn sie denn vorkommen, negativ konnotiert. Homosexuelle beispielsweise sind Leidensträger, werden ausgegrenzt und sind die ewig lustigen Sidekicks. Psychisch Kranke werden zu Serienmördern. Polyamore Beziehungen sorgen für nichts als Chaos und Eifersucht. Gute Handlungsträger, allesamt, aber was macht es mit mir, wenn ich als Mitglied einer marginalisierten Gruppe über Menschen, mit denen ich mich identifiziere oder identifizieren möchte, immer nur als Leidensträger, als Ausgeschlossene lese? Wie beeinflusst das mein Selbstbild, das Vokabular, das ich benutze, um mich selbst zu beschreiben? Wie beeinflusst es auf diese Weise vielleicht gar meine Identität? 

Klar sind Menschen unterschiedlich, aber es kommt darauf an, wie man mit diesen realen Unterschieden umgeht, auch in der Fiktion. Ob man sie als Belastung oder als Bereicherung versteht. Ob die Zuschreibung von „Anderssein“ negative Konsequenzen für die Betroffenen nach sich zieht oder nicht. Warum nicht jemand anderen anders sein lassen und in seiner Andersartigkeit annehmen, sich einfach mal bereichern lassen.

Ein idealistisches Ziel? Vielleicht. Über Nacht kann man nicht auf alles achten, über Nacht um alles Bescheid wissen und alle Fettnäpfchen, die einem da auflauern, vermeiden – aber man kann versuchen, informiert und lernbereit zu bleiben, sodass man ein Fettnäpfchen, das des Weges dräut, zumindest als solches erkennen kann. 

Was ist Diversität?
Was ist Diversität?

Diversität… und jetzt?


Schön und gut; wie setzt man das aber in der Praxis um, inwiefern hat die Literatur, haben Autor*innen damit zu tun? Wieso ist das überhaupt so wichtig? Nun, als Autor*in, der/die eine gewisse Menge an Leser*innen anspricht, trägt man eine gewisse Verantwortung dafür, was diese da vor sich Schwarz auf Weiß gedruckt sehen. Wie gesagt: Sprache bedeutet Macht, geschriebenes Wort bedeutet Einfluss.

Das heißt auch: In der Literatur kann man Dinge ausprobieren. Eine Geschichte kann im ersten Schritt ein Problem aufwerfen und im zweiten einen Lösungsweg vorschlagen und probeweise durchspielen, Seite für Seite. Eine Art aufzeigen, wie man mit Diversität umgehen kann. Eine Art Vorbildvorlage, ein Vorschlag, wenn man so will. Ruhig auch Verunsicherung und offene Fragen können hier mit Tinte auf Papier thematisiert, nicht tabuisiert werden.

Diversität in der Literatur

Setzt man das für sich voraus und beschließt, die Reise in den unbekannten „Probierraum“ der Literatur zu wagen, bleibt die Frage, was man als Mitglied der Literaturbranche dazu beitragen kann, dass Diversität ein größerer Bestandteil des Geschriebenen wird. Manche fragen sich möglicherweise, bin ich als weiße/r Autor*in überhaupt dazu geeignet, über Rassismus zu schreiben? Kann ich, in einer glücklichen monogamen Beziehung, das polyamore Konzept in meinen Geschichten erforschen? Kann ich, als Heterosexuelle*r über die Schwierigkeiten schreiben, die Menschen anderer sexueller Orientierung möglicherweise tagtäglich erfahren? Berechtigte Fragen.

Die Lösung ist keine Zauberei: Recherche betreiben. Schreibt man einen historischen Roman, der im griechischen Athen spielt, ist es selbstverständlich, dass man sich nicht in der Zeit zurückbeamen und als Bürger der athenischen Polis durch die Straßen Athens wandeln kann. Genauso selbstverständlich ist es aber, dass man sich mit den alten Griechen auseinandersetzt, Alexander den Großen mal googelt, seinen Homer auffrischt, in Herodot reinschnuppert, Wälzer zur attischen Gesellschaft schmökert. Möchte man über marginalisierte Gruppen schreiben, sie in seine Geschichte mit einflechten, ist es mindestens ebenso notwendig, zuvor in ihre Erfahrungswelt einzutauchen. Blogs, Biographien, Erfahrungsberichte, Interviews empfehlen sich hier.

Und wenn ich was übersehe?

Natürlich können sich trotz aller Vorsicht und mit aller Mühe, einfach weil wir Menschen sind, sogenannte „Mikroaggressionen“ in die Texte einschleichen. Trigger, die Nichtbetroffenen gar nicht erst auffallen. Eine mögliche Absicherung stellt das Sensitivity Reading dar, bei dem Leser verschiedener Themengebiete, meist Personen aus marginalisierten Gruppen, Texte lesen und auf unbeabsichtigte und unentdeckte Stereotypen Mikroaggressionen untersuchen, quasi eine spezielle und zusätzliche Art des Lektorats. Also einfach Leute um Hilfe bitten, die mehr wissen als man selbst.

Das Wichtigste: Offen bleiben. Sicheres, bekanntes Terrain auch mal verlassen, wie die Figuren der eigenen Geschichte ja auch. Handlung vorantreiben, das geht nur, wenn Veränderungen zugelassen werden, das weiß jeder, der sich schon mal eine Geschichte ausgedacht hat. Sich informieren, das Gespräch suchen und darüber reden, darüber schreiben. Gerne auch in den Kommentaren ;-) 

Wie setzt man Diversität in der Sprache um?
Wie setzt man Diversität in der Sprache um?

Was ich noch sagen wollte …


PS.: Mir ist klar, dass auch ich als weiße mitteleuropäische und in vielen Belangen privilegierte Person nicht weiß, wie es vielen Mitgliedern marginalisierter Gruppen geht und möchte auch die Moralkeule nicht zu hart in meinem Glashaus schwingen. Aber ich wollte mit diesem Artikel zumindest meinen eigenen Rat befolgen, practise what you preach, ihr wisst schon, und darüber reden, mich mit euch austauschen, dazulernen und dazu beitragen, dass ein Thema, das ich für wichtig halte, mehr Eingang in die Köpfe, Gespräche und hoffentlich auch Literatur unserer Gesellschaft findet. Ich bin gespannt auf eure Meinungen!

Weiterlesen


Wer sich weiter informieren möchte, kann hier mal vorbeischauen:

Die Seite zum Sensitivity Reading, auch mit interessanten Tipps und Blogbeiträgen: https://sensitivity-reading.de/

https://amalia-zeichnerin.net/diversitaet-und-repraesentation-in-der-literatur/, ein guter Blogeintrag zu Diversität und Repräsentation in der Literatur, unter anderem findet sich hier auch eine Liste mit deutschsprachigen Phantastik-Büchern, die Diversität thematisieren.

Zum Begriff „Diversität“: http://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2017/04/01/ernst-muellerfalko-schmieder-diversitaet-begriffsgeschichtlich/ und zur (möglichen) Darstellung von Diversität: http://www.zflprojekte.de/zfl-blog/2018/05/24/mona-koerte-georg-toepfer-stefan-willer-einleitung-zur-zfl-jahrestagung-diversitaet-darstellen-11-12-januar-2018/

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