Texten ist sexy
Was macht einen guten Text aus?
Einen guten Text schreiben: Schon bei dem Verfassen dieses Beitrags herrscht ein gewisser Druck. Als würde ein Bäcker erklären, was einen guten Kuchen ausmacht. Da sind die Erwartungen hoch, das kann nicht einfach nur ein trockener Sandkuchen sein. „Jeder anständige Autor muss auf jeder nur denkbaren Stufe sein Publikum respektieren und darf ihm darum nur das subjektiv Beste vom Besten bieten“, erfährt man vom deutschen Schriftsteller Kurt Tucholsky. Tja, große Worte. Da werden die Hände auf der Tastatur schnell mal schwitzig.
Solch einen Druck spüren so einige, wenn sie einen Text verfassen – ob eine Hausarbeit an der Universität, die informieren soll; einen Blogeintrag, der unterhalten soll; eine Bewerbungsmail, die überzeugen soll; einen Liebesbrief, der sexy sein soll oder, Gott bewahre, ein ganzes Buch, das, naja, das halt gut sein soll. Anfangs neugierig, später immer verzweifelter fragt man sich: Was macht eigentlich einen guten Text aus? Was macht meinen Text gut? Wie zur Hölle mache ich meinen Text gut? – Welche Zutaten müssen in meine literarische Backmischung, um keinen faden Trockenkuchen, sondern am besten eine ganze Geschmacksexplosion auf der Zunge zu kreieren?
Wenn du in diesem Stadium der Verzweiflung nach einer Antwort suchst, muss im Vorhinein gesagt werden: Auch der Blogbeitrag hier vor dir hat die Weisheit nicht für sich allein gepachtet. Es werden einfach ein paar Gedanken beigesteuert, eine Prise Inspiration in das weite Netz gestreut, vielleicht kommt sie bei dir an. Experimentelles Backen, könnte man sagen. Hoffentlich kein Sandkuchen.
Die falschen Wörter weglassen
„Schreiben ist leicht“, sagt Mark Twain. „Man muss nur die falschen Wörter weglassen.“
Ah, die simplen Wahrheiten sind ja oft die härtesten. Was sind denn die falschen Wörter, lieber Twain? – Lasst uns nachdenken. Klar sollte sein: Kein Fachchinesisch. Fremdwörter, die mehr fremd als Wörter sind, streichen. Man will dich verstehen, gib deinen Lesern eine Chance dazu. Weg mit den Füllwörtern, die blähen nur unnötig auf. Kein Hefeteig! Befreie deinen Satz von Firlefanz. Auch ganz übel: Wiederholungen. Ja, du bist begeistert von deinem Punkt und könntest dein Argument noch zehnmal in unterschiedlichen Verkleidungen hübsch präsentieren. Der Inhalt bleibt aber nun mal der Gleiche.
Tipp: Probier es mal aus, einen ganzen Absatz zu löschen, auch wenn er noch so schick klingt. Sagt der Text immer noch alles Wesentliche aus, fließt der Lesefluss? Dann lass den Absatz da, wo er hingehört, nämlich im Papierkorb.
Um noch ein Zitat anzuführen, mit dem in der Literaturbranche gerne um sich geworfen wird: „Kill your Darlings!“ Das ist auch hart und es ist auch wahr. Weg mit den Blumen! Weg mit dem Schnickschnack! Weg mit den Ambitionen, den allergenialsten Satz aller Zeiten zu schreiben. Verzier deine Torte nicht mit unnötigen Zuckerblümchen, die lenken vom eigentlichen Geschmack ab.
Lesbare Texte schreiben
Eine klare Sprache mit einer klaren Struktur wirkt Wunder. Es ist schön, am Ende des Satzes noch zu wissen, worum es am Anfang ging. Man will sich nicht verirren und den Leser auf halber Strecke im Dickicht der schiefen Satzstrukturen zurücklassen. Kurze, prägnante Sätze helfen dabei – Kleist’sche Verwirrung vermeiden. Vor allem moderne Autor*innen setzen darauf. Aber auch hier gilt: Alles mit Maß genießen. Man darf auch mal ein Komma und einen Nebensatz dahinter einschieben und muss nicht ohne Komma, dafür mit umso mehr Punkt. Schusssalven. An. Kürzestsätzen. Aneinanderreihen.
Ordnung schreiben
Eine gute Gliederung ist die halbe Miete, man kann es nicht oft genug wiederholen (Ausnahme von der Regel, s.o.). Begonnen mit einer Einleitung, die in das Thema einführt und den Leser da abholt, wo er zu Beginn steht, nämlich nicht mittendrin. Gefolgt von einem sauber gegliederter Hauptteil, ein stringenter roter Faden, an dem er sich entlanghangelt. Keine Themensprünge – Leistungssport für’s Gehirn gehört woandershin. Ein zusammenfassendes und freundlich Adieu-winkendes Fazit. Die halbe Miete. Wirklich.
Zum Ordnung halten gehört auch, dass dein Text keine Fakten in Unordnung bringt. Es sollte kein Unfug darin stehen und dabei hilft eine anständige Recherche. Informiere dich über dein Thema, lies am besten viel dazu, arbeite dich ein. Wenn sich deine Gedanken schon im Thema heimisch fühlen, schreibt es sich außerdem gleich doppelt so leicht.
Noch so eine Sache, die man sehr oft sagt und die sehr wenig gehört wird: Grammatik ist sexy. Rechtschreibung ist sexy. Kommasetzung ist verdammt sexy. Das war’s schon, bitte merken.
Der Kern und Knackpunkt deines Textes
Eine der wichtigsten Fragen, die du dir stellen solltest: Warum schreibe ich diesen Text? Was soll er erreichen, was bewirken? Soll er etwas lehren, soll er unterhalten, am Ende sogar beides? Ein Text soll etwas auslösen: Assoziationen, Erkenntnisse, Erinnerungen, Emotionen. Ja gut, das hört und liest man oft, es ist nicht falsch, aber eine reichlich schwammige Anweisung. Ein Tipp: Man konzentriere sich auf ein, zwei Bestimmungen oder Emotionen, denen der Text folgen soll. Anhand derer untersuche man seinen Text am Ende nochmal genau: Zieht sich mein Hauptziel zuverlässig zwischen den Zeilen hindurch? Wie wir alle wissen: Zu viele Geschmäcker verderben den Brei, oder hier: den Kuchen.
Noch so eine Frage, die in der Bedeutung ganz oben rangiert: Für wen schreibe ich eigentlich? Wer sind meine Leser*innen? Mögen sie Apfel- oder Käsekuchen? Schreibe ich für meinen Professor oder für sechzehnjährige Mädels? Auch hier sollte die Atmosphäre des Textes sich stringent an die Leser anpassen und sie in eine Welt entführen, in der sie sich wohlfühlen.
Richtig fabulös wird es, wenn dein Text etwas Neues bietet, eine neue Idee, einen neuen Stil, Innovation. Etwas, das man noch nicht hundertmal gelesen hat – oder wenn doch, dann eben besser, einzigartig, unerwartet aufbereitet. Man kann auch ruhig den hundertsten Schokoladenkuchen backen, aber will man im Gedächtnis bleiben, sollte es ein verdammt guter Schokoladenkuchen sein.
Die Schleife auf dem Text
Zum Abschluss noch ein paar kleine Tipps, etwas Handwerkzeug, es soll ja nicht immer nur Theorie und Elfenbeinturm sein. Ganz kurz und knapp: Aktiv-Sätze statt Passiv-Sätze, man ist immer lieber dabei statt unbeteiligter Zuschauer … Die Zeit, die man wählt, ob nun Gegenwart oder Vergangenheit, beibehalten, sonst ist die Leserschaft schnell vergangen … Abkürzungen und Zahlen sollten auch bei kurzen Texten ausgeschrieben werden – dem Lesefluss keinen Damm einrammen … Bildsprache macht genau das, was sie verspricht: Sie macht Bilder mit Sprache, Bilder im Kopf, und das ist immer gut. Das reicht für’s Erste, denn, noch ein letzter Tipp: Zu lang darf der Text auch nicht werden.
Halt, noch ein freundlich winkendes Fazit: Na, ist die Backmischung gelungen? Lass es dir schmecken. Und vor allem: Ofenhandschuhe an und selbst ran ans Werk. Lernen, Üben, Schreiben, Besser werden. Du weißt am besten, welcher Kuchen dein Liebling ist und welche Zutaten ihn ausmachen.