Kommunikation in Poly-Beziehungen

Kommunikation in Poly-Beziehungen

„Warum bekommt dieses Thema einen eigenen Beitrag“ – das mag sich grade so manche_r fragen, der_die bei diesen Zeilen gelandet ist. Müsste die Kommunikation in jedweder Beziehung nicht eigentlich gleich gut, gleich offen sein? Müsste nicht eigentlich jedes Pärchen – ob nun poly oder nicht – miteinander reden und so Differenzen aus der Welt schaffen? Theoretisch ist das wohl so. Praktisch unterscheidet sich die Kommunikation in Polybeziehungen allerdings meist dramatisch von der in Monobeziehungen.

Es gibt keine (oder nur wenige) impliziten Annahmen


Wenn Menschen in monogamen Beziehungen lange zusammen sind, vielleicht sogar zusammen leben, schleichen sich Routinen ein. Das ist völlig normal und auch gut so – allerdings kommen häufig implizite Annahmen über den_die jeweils andere_n zustande, die auch toxischen Charakter haben können. Das geht von der unkommunizierten Erwartung, dass man ja gemeinsam essen würde und daraus resultierendem Streit bei Verspätungen bis hin zu klassischen „Im Bett läuft nichts mehr“-Situationen.


In polyamoren Beziehungen gibt es diese Routinen natürlich auch, sie setzen sich jedoch a) tendenziell langsamer durch, weil man sie eben nicht nur mit einem Menschen entwickelt und sie immer wieder neu ausgehandelt werden müssen, wenn jemand Neues dazukommt, und b) müssen sie zwecks Abstimmung mit anderen viel deutlicher kommuniziert werden. Wenn ich mit Partner A den Taco-Dienstag einführe, muss ich Partnerin B auch in diese Planung miteinbeziehen, damit niemand vor den Kopf gestoßen wird. Diese Planungsbalance sorgt je nach Beziehung schon bei ganz alltäglichen Dingen, wie zusammen einen Taco essen gehen, für genaue Absprachen.


Das setzt sich auch bei tiefergehenden Gesprächen fort. Wenn ich mich zurückgestellt fühle, weil eine Partnerperson eine Verabredung mit mir zugunsten eines anderen Menschen absagt, muss ich das kommunizieren. Es ist gar nicht gesagt, dass mein_e Partner_in etwas gegen mein Gefühl tun kann. Er_Sie muss aber wissen, wo ich grade stehe, damit sich die Beziehung weiterentwickeln kann und niemand darüber kreuzunglücklich wird. Das ist etwas, das zwar auch in monogamen Konstellationen passieren sollte. Allerdings bringt das Ausleben mehrerer gleichgestellter (romantischer) Beziehungen da noch eine andere Dringlichkeit mit rein.
Mein „So kann ich eine Beziehung leben“-Horizont als polyamore Person erweitert sich ständig. Deshalb muss ich viel Kommunikationsarbeit leisten, damit meine beständigen Beziehungspartner_innen verstehen, was gerade in mir vorgeht.

Kommunikation ist der Grundbaustein jeder Beziehung

Kommunikation durch gegenseitiges Updaten


Anders als in den monogamen Beziehungen, die ich in meinem Leben geführt habe, fasse ich meine Woche jetzt sehr ausführlich für meine Partner zusammen. Das kann daran liegen, dass wir nicht zusammen wohnen und ein Großteil meines Alltags einfach ohne diese wichtigen Menschen abläuft. Allerdings haben diese Updategespräche auch eine ganz andere Qualität. Weil eben nicht nur der Alltag aufgeholt werden muss, sondern auch Flirts, neue Beziehungspartner_innen und gegebenenfalls (Beziehungs-)Krisen mit anderen Menschen.


Besonders schwer fiel es mir immer, von einem neuen Schwarm zu berichten. Für mich war es sehr anstrengend, diese kleine Stimme in meinem Hinterkopf auszuschalten, die mir beim Gespräch mit meinem Partner immer wieder ins Ohr flüsterte: „Du darfst jetzt nicht von deinem neuen Crush erzählen, bestimmt verletzt ihn das und dann wird er dich hassen.“ Diese Stimme hatte noch nie recht mit ihrer Befürchtung – aber wer weiß …? Ein Teil von mir zweifelt immer noch und immer wieder daran, dass meine Partner neue Kontakte auf meiner Seite so entspannt aufnehmen, wie ich es selbst bei ihnen tue. Manchmal erwische ich mich dabei, fast unangenehm neugierig zu sein und alles über die neue Person wissen zu wollen. Weil das bei meinen Partnern eher nicht passiert, unterstelle ich (und da hätten wir wieder die implizite Annahme), dass ich mich mit meiner Erzählung lieber zurückhalten sollte.

Die Partner auf dem aktuellen Stand halten

Kommunikation durch konstantes Feedback


In Poly-Beziehungen steht Mensch vor der Herausforderung, zwei oder mehr romantische Beziehungen gleichzeitig und gleichwertig auszuleben. Das erfordert Planungsjonglage und die Kommunikation meiner Gefühlslage, so gut es mir möglich ist. Das Resultat ist ausführliches, konstantes Feedback, eine offene Kommunikation und teilweise extreme Verarbeitungsphasen. In denen muss ich mir klarmachen, was da emotional grade mit mir passiert. Bei mir dauert dieser Prozess auch mal mehrere Tage, in denen ich Dinge von mir gebe wie „Ich weiß gerade nicht warum, aber das fühlt sich doof an“.


Sehr hilfreich ist bei solchen Prozessen die Kommunikation mit Metamours, also den Partner_innen von meinen Partnern. Je nachdem, wie gut die Beziehung zu diesen Personen ist, die für die eigene Beziehung ja Außenstehende sind, die beteiligten Menschen aber sehr gut kennen, kann sich da in der Reflexion auch die ein oder andere Erleuchtung ergeben. Es gibt Dinge, die ich erst mit Metas besprochen habe, bevor ich sie an meine Partner herangetragen habe.

Es ist schön, zu wissen, woran man ist. Und es ist schön, von sich selbst zu wissen, was grade guttut und was ich brauche – oder auch nicht. Aber es ist auch konstante Arbeit an mir selbst. Ich bin nicht mehr in der komfortablen Situation, einfach Annahmen darüber zu treffen, was meiner Beziehung entspricht. Und das fordert mich. Aber auf eine schöne Art.

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