Langweilig? Von wegen!

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Langweilig? Von wegen!

Gute Sachbücher und wo sie zu finden sind

Eine Frage, die mich umtreibt: Wie konnte es eigentlich passieren, dass Sachbücher so in Verruf geraten sind? Wer hat als erstes gesagt, dass Sachbücher langweilig sind und wer hat es als erstes geglaubt? Klar, Sachbücher behandeln Fakten, keine Phantasiegebilde. Aber manche Fakten klingen mindestens so fantastisch wie Hogwarts und Narnia zusammen.

Man nehme nur mal die Entstehung unserer Erde oder betrachte die Millionen Sterne im Nachthimmel. Wer weiß, was für Wesen sich darauf tummeln? Wir lesen von epischen Schlachten zwischen antiken Völkern und Stämmen, legendären Königen und tragischen Liebesgeschichten, die tatsächlich passiert sind. Wir verfolgen dankbar die Entwicklung der Wunderheilmittel, die moderne Medikamente heißen, oder vertiefen uns in die abstrakte Welt der Zahlentheorie, die auf verblüffende Weise unsere Welt ganz ohne Worte beschreiben kann … Von wegen langweilig!

Aber was, wenn ich gar keine Ahnung habe von Geschichte oder von Mathematik? Gerade dafür sind Sachbücher da. Sie werden nicht für Experten geschrieben (das nennt man dann „Fachbuch“ – für eine Übersicht über verschiedene Genres siehe hier), sondern für „interessierte Laien“ und bringen ihren Leser/innen die Welt der fantastischen Fakten näher. Und hinter allem steht der faszinierende Gedanke: Das ist alles echt …

Wir haben dir mal eine Liste aus sechs Sachbüchern zusammengestellt, die uns in fremde Themengebiete eingeführt und sie lieben gelehrt haben. Die Auswahl ist ganz von persönlichem Interesse geprägt, aber vielleicht findest du ja etwas, das auch deinen Wissensdurst weckt.

„Götter, Gräber und Gelehrte“ – das erste Sachbuch

Schön der Reihenfolge nach: Als erstes schauen wir uns das Buch an, welches gemeinhin als das „erste Sachbuch“ gilt. Es ist das Werk von einem gewissen Kurt Wilhelm Marek, der es unter dem Pseudonym C. W. Ceram veröffentlichte, mit dem achtungsheischenden Titel „Götter, Gräber und Gelehrte“. Im Jahr 1949 erschien das populärwissenschaftliche Buch über Archäologiegeschichte, das den Untertitel „Roman der Archäologie“ trägt. Es schlug ein wie eine Bombe. Unterhaltsam und lehrreich zugleich geschrieben avancierte das Sachbuch, das von seiner Leserschaft keine weitreichenden Vorkenntnisse verlangte, zu einem Bestseller.

Mareks Ziel war es, eine unterhaltsame Geschichte der Archäologie zu schreiben, einen Text, der Spaß macht und gleichzeitig etwas beibringt. Spätere Sachbücher orientierten sich alle an diesem Muster. Marek schreibt über Ausgrabungen in Ägypten und über den Stein von Rosette, von Schliemann in Troja und dem „Schatz des Priamos“, von der Geschichte Mesopotamiens und Mittelamerikas. Für jede/n Hobby-Archäolog/in eine genüssliche Lektüre und gleichzeitig ein Blick in die Geschichte des Sachbuchs an sich. Aber Achtung: Das Buch ist schon älter und nicht mehr auf dem neuesten Stand der archäologischen Forschung.

„Die Geschichte der Kunst“ – Das Sachbuch über Kunstgeschichte

Für jede/n Student/in der Kunstgeschichte ist Ernst Gombrichs „Die Geschichte der Kunst“ (erstmals 1950 erschienen) quasi die Bibel. Es gibt heute zahlreiche Auflagen, auch immer wieder mit neuen Überarbeitungen und Aktualisierungen. Gombrich galt zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Kunsthistoriker und wenn man sein Werk liest, versteht man auch, warum. Seine Begeisterung für und die Liebe zur Kunst spricht aus jeder Zeile. Dazu ist sein Blick auf sein Fachgebiet erfrischend unkompliziert: Gombrich schreibt davon, dass es „die Kunst“ eigentlich gar nicht gebe, sondern nur Künstler; davon, wie jede Art und Kunst ihre Berechtigung und ihre eigene Schönheit habe; und darüber, dass er nicht möchte, dass sein Buch Zungen löst, sondern vielmehr Augen öffnet. Man soll also vor einem Kunstwerk nicht fachsimpeln, sondern empfinden, auf sich wirken lassen. „Kunst“ wird so bei jeder Betrachtung neu definiert.

Anhand von zahlreichen gut gewählten Abbildungen und Beispielen führt uns Gombrich durch mehrere Jahrhunderte der Kunstgeschichte – in begeisterter und begeisternder Sprache. Dabei bleibt es übersichtlich, ohne flach zu sein. Der historische Kontext, der nicht fehlen darf, wenn man Kunst verstehen möchte, wird gekonnt miteingebracht. Ganz große Empfehlung!

Codes – ein Sachbuch über Kryptographie

These: Seit längerer Zeit gilt in der Kriegsführung, dass nicht derjenige gewinnt, der die meisten Männer oder Frauen auf dem Feld hat, sondern derjenige, der die bessere Nachrichtenverschlüsselung beherrscht – oder sie knackt. Simon Singh hat sich in „The Code Book“ (1999) mit Codes, Chiffren, geheimnisvollen Sprach- und Zeichensystemen und Kryptographie im Allgemeinen beschäftigt. Unter anderem tauchen hier Begriffe wie die Enigma-Maschine, ein Prototyp unseres heutigen Computers, auf. Zudem antike Geheimsprachen und die Entschlüsselung verlorengegangener Zeichen- und Schriftsysteme wie Linear B. Dabei finden sich immer wieder interessante Beispiele und Knobelaufgaben. Zusammenfassend gilt: Wer sich für das (zugegebenermaßen spezifische) Thema der Kryptografie und Entschlüsselung interessiert, ist hier gut beraten. Auch jemand, der von Mathematik und Programmierung die denkbar bescheidenste Ahnung hat (moi), steigt bei Singh noch durch und lernt nebenher zusätzlich ein paar interessante historische Details.

Ein Blick in unser Gehirn

So beeindruckende Fortschritte die moderne Medizin auch macht: Unser Gehirn ist uns allen noch ein ziemliches Rätsel. Daraus macht Daniel Kahnemann, der Autor von „Schnelles Denken, Langsames Denken“ (2011), auch keinen Hehl. Dennoch führt er die Nicht-Biolog/innen unter uns in das weite, faszinierende Feld der Verhaltens- und Gehirnforschung ein.

Grundbaustein von Kahnemanns Theorie ist die Teilung unserer Denkprozesse in zwei Systeme. System Nr. 1 ist das instinktive und emotionale System, das schnell reagiert, quasi unser Unterbewusstsein. System Nr. 2 ist langsamer, überlegter. Es durchdenkt Situationen gründlich und fällt logikbasierte Entscheidungen. Dafür ist es aber auch ziemlich faul und arbeitet nur, wenn es wirklich muss. Kahnemann zeigt anhand von verschiedenen spannenden Beispielen, wie diese beiden Systeme zusammenarbeiten – oder eben nicht. Bei der mehr oder weniger erfolgreichen Kollaboration kommt unser Gehirn manchmal zu den abstrusesten Fehlschlüssen und Illusionen, auch dann, wenn wir selbst glauben, alles genau durchschaut zu haben. Ein lohnender Blick hinter die Kulissen unserer nicht perfekten, aber großartigen Neuronenarbeit!

Ein Blick über den Weltenrand

Wenn mir früher jemand erzählt hätte, dass es möglich ist, ein Buch über Kosmologie, Zeit, Raum und den Urknall zu schreiben, das man auch als Laie verstehen kann, hätte ich es nicht geglaubt. Genau das aber ist dem berühmten Physiker Stephen Hawking mit seinem Werk „Eine kurze Geschichte der Zeit“, erschienen 1988, gelungen.

Hawking ist ein solches Genie, dass er es schafft, auch die komplexeste Materie herunterzubrechen auf ein Niveau, das sich (mit etwas Gehirnarbeit von System 2, wie Kahnemann sagen würde) lesen und verstehen lässt. So gut sogar, dass es 41 Wochen lang nach seinem Erscheinen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste stand. Leser/innen lernen in diesem Sachbuch etwas über Raum und Zeit, schwarze Löcher, Berühmtheiten wie Einstein und Newton, Elementarteilchen und vieles mehr. Nach der Lektüre kommt einem unser Universum noch viel größer, unwahrscheinlicher und fantastischer vor denn je.

„Eine kurze Geschichte der Menschheit“

Dieser Titel dürfte den meisten unter euch bekannt sein. Yuval Noah Hararis Sachbuch „Sapiens. Eine kurze Geschichte der Menschheit“ von 2011 wurde millionenfach verkauft und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Menschheitsgeschichte ist im Vergleich zur Geschichte unserer Erde sehr, sehr kurz. Für ein Sachbuch allerdings, das noch ins Bücherregal passen muss, ist sie wiederum sehr, sehr lang.

Harari schafft es dennoch, einen runden Überblick über die Menschheitsgeschichte zu geben und dazu einige Fragen zu betrachten, die unsere Gesellschaft heute noch (oder vor allem heute) umtreiben, wie beispielsweise: Wie kommt es, dass der Homo Sapiens heutzutage so mächtig ist? Und was bedeutet seine Macht für den Planeten? Warum gab und gibt es so lange männliche Vorherrschaft in den meisten Gesellschaften? Was für eine Funktion übernimmt für uns Menschen die Religion und was passiert, wenn sie an Bedeutung verliert? Fazit: Ein spannender und gut geschriebener Beitrag zu der Geschichte unserer Spezies, der auch ihre großen Fragen nicht scheut.

Schlussplädoyer für das Sachbuch

Wer würde zur Theorie des Urknalls, zur Entschlüsselung von Geheimsprachen oder bei der Betrachtung von versunkenen Städten und Kunstschätzen gähnen? Wer würde behaupten, dass die Arbeit unseres Gehirns, seine Leistungen und Fehler langweilig sind – oder die Entwicklung unserer Spezies? – Ich jedenfalls nicht. Vielleicht haben euch diese Beispiele ja ebenfalls überzeugt.

Natürlich interessiert nicht jedes Thema; je nach Vorliebe greift man eher zu einem Werk zur Mathematik, Philosophie, Biologie oder Geschichte. Und möchte man sich weiterbilden in einem bestimmten Bereich, so sind Einführungen durch gute Sachbücher nur zu empfehlen: Sie bringen vieles bei, weiten den Horizont und machen auch noch Freude beim Lesen. Und vor allem: Sie sind alles andere als langweilig.

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