Wie schreibe ich? Planen vs. wild drauflos

Von der Idee zum Buch: Wie schreibe ich?

Wie schreibe ich? Planen vs. wild drauflos

Wir nehmen mal an, ich möchte jetzt ein Buch schreiben. Ein gutes Buch, eines, das gerne gelesen wird, mit guter Story, rotem Faden und allem Drum und Dran. Wie fange ich am besten an? Schreibe ich einfach wild drauflos, lasse mich von der Erzählungen einsaugen und selbst überraschen? Oder sollte ich mir lieber einen Plan machen, schön mit Struktur, den Plot und die Charaktere entwickeln, noch bevor ich das erste Wort zu Papier bringe?

Über die beste Art, einen Text zu schreiben, gibt es so viele unterschiedliche Meinungen wie es verschiedene Autoren und Autorinnen gibt. Ich habe mir mal einige Interviews mit Schriftsteller*innen durchgelesen und so einige interessante Entdeckungen gemacht. Manche, wie J. K. Rowling, wissen von Anfang an, dass sie sieben Bände schreiben werden; andere tippen munter drauflos und warten ab, wohin der Weg der Feder sie führt.

Wie schriebe ich? Kreatives Chaos als Lösung?
Wie schriebe ich? Kreatives Chaos als Lösung?

Ein Genie beherrscht das Chaos?


Inspiration pur

Manche Ideen sind einfach reif für das Papier; sie brauchen keine einzwängenden Strukturen mehr, sie strömen nur so aus den Fingerspitzen über die Tastatur oder aus dem Stift auf die Blätter. Man fühlt sich wie eine unaufhaltsame kreative Kraft, die Seiten füllen und füllen sich. Einfach drauflos. 

Woher kommen diese grandiosen Ideen? Viele Autoren geben zu, dass Inspiration meist nicht über Nacht an die Tür klopft, sondern dass sie aktiv danach suchen. Musik machen oder hören kann Wunder wirken, Bewegung in der Natur ebenfalls. Oder man setzt sich auf den Marktplatz und beobachtet die vorbeigehenden Menschen und denkt sich Geschichten für sie aus. Oder man ignoriert die Umwelt allesamt, versenkt die Nasenspitze in ein Buch und lässt sich von Kolleg*innen inspirieren. Manche sind weniger anspruchsvoll; der deutsche Autor Sebastian Fitzek meint, er bräuchte eine nette Aussicht und Kaffee, dann kämen die Ideen schon. 

Allerdings, um Christopher Paolini zu zitieren, der bereits mit sechzehn Jahren den Bestseller Eragon schrieb: Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen einer Idee und einer Geschichte. Nur, weil man eine grandiose Idee hatte, bedeutet das nicht, dass daraus auch ein grandioses Buch wird.

Was einen guten Text ausmacht kannst du hier herausfinden.

Mit Worten malen: Ohne Inspiration kein Schreiben
Mit Worten malen: Ohne Inspiration kein Schreiben

Ein guter Plan fürs Schreiben ist die halbe Miete


Eine Idee ist noch keine Geschichte


Tatsächlich wird mir nach etwas Recherche klar, dass es kaum Autor*innen gibt, die ihren Schreibprozess als „einfach drauflos schreiben“ charakterisieren. Die meisten lassen allein die Idee zu einem Roman über lange Zeit reifen, bevor sie sie pflücken. Fitzek und Paolini bekennen beide in Interviews, dass sie Ideen monatelang im Kopf umhertragen und gedanklich an ihnen feilen, bevor auch nur ein Wort dazu geschrieben wird. J. K. Rowling berichtet von einer komplexen Grafik, in welcher sie den Plan für ihr Buch Lethal White ausarbeitete. Drei Jahre lang schrieb der amerikanische Schriftsteller Paul Auster an seinem (allerdings auch über 1.000 Seiten zählenden) Buch 4321

Recherche 

Manchmal hat diese lange Vorbereitungszeit etwas mit der Recherche zu tun, die gemacht werden muss, bevor es ans Schreiben geht. Der Brite Ian McEwan erzählt, dass er für sein Buch The Children Act, das unter anderem juristische Fragen behandelt, gründliche Recherche betrieb und viel Zeit mit Richtern verbrachte, um den fiktiven Figuren Recht widerfahren zu lassen. Beschäftigt sich das Buch mit einem Thema, einem Setting, einer historischen Periode oder Begebenheit, mit dem oder mit der man sich nicht auskennt, muss man eben dafür sorgen, dass man seinen Horizont erweitert. McEwan meint sogar, dass seine Hintergrundrecherche stets den Lauf einer Geschichte stark beeinflusse und sie gewissermaßen erst richtig forme.

Struktur & Plot 

Die meisten erfolgreichen Schriftsteller*innen planen eine Geschichte zumindest in groben Zügen, bevor sie sie schreiben; wie das genau aussieht, ist wiederum bei jedem anders: Da gibt es Mindmaps, Exposés, Kapitelzusammenfassungen, Grafiken, Karten, … „Ich schreibe nie einen ersten Satz ohne den letzten“, sagt Martin Suter, ein Schweizer Autor, schlicht in einem Gespräch mit der ZEIT. 

Ein Plot, der Grundgedanke und Kern stehen meist, bevor das Schreiben wirklich beginnt und diese Planungsarbeit macht einen Großteil des Buchschreibens aus. Klingt unromantisch? Struktur vor Kreativität? Zumindest geht es scheinbar nicht ganz ohne. 

Das gilt auch für die Charaktere in unseren Lieblingsbüchern, auch sie sind durch gründliche Überlegung geboren worden. Was die Figuren eines Romans ausmacht, das ist ihre Entwicklung; sie sollten authentisch wirken, Veränderungen durchmachen und auf eine Art und Weise handeln, die man ihnen abkaufen kann. Um die Figuren sich stringent entfalten zu lassen, kann man beispielsweise einen Lebenslauf anlegen oder ihre Stärken, Schwächen, Wünsche und bedeutendsten Erinnerungen notieren. McEwan betont, dass die Handlungen der Figuren zu ihrem Charakter passen müssen und nicht zu dem, was man sich als Autor von ihnen wünscht. Man müsse ihnen eine eigene Dynamik zugestehen.

Fitzek sagt, dass er nicht zu starre Definitionen eines Charakters anlege, da er es liebe, wenn seine eigenen Figuren ihn ab und an noch überraschen könnten und für die aus Georgien stammende Autorin Haratischwili ist es keine unübliche Erfahrung, dass die Handlung ab einer gewissen Seitenzahl eine Eigendynamik annimmt, der man sich auch als Autorin nicht mehr widersetzen kann.

Das Schreiben

Das tatsächliche Schreibgeschehen unterscheidet sich bei den verschiedenen kreativen Köpfen noch stärker; da schreibt jeder, wie es ihm oder ihr am besten gefällt. Fitzek wie gesagt bei schöner Aussicht und mit Kaffee; die Schriftstellerin Juli Zeh tippt nur eine halbe Stunde pro Tag, dafür aber ziemlich viel in dieser halben Stunde, und kann es nicht ausstehen, wenn sie jemand beim Schreiben beobachtet. Daniel Kehlmann, ein österreichischer Mann der Feder, schreibt nur noch per Hand; die amerikanische Schriftstellerin Elisabeth Gilbert steht um 4:30 oder 5:00 morgens auf, um die ruhigen Morgenstunden zum Schreiben zu nutzen, und sitzt den Rest des Tages laut eigenen Angaben da und starrt die Wand an, das Gehirn völlig erschöpft von den frühmorgendlichen Ergüssen. Marah Woolf, die Fantasybücher für Jugendliche schreibt, empfiehlt, das Schreiben wie jede andere Fertigkeit auch zu üben, üben, üben, auch wenn man mal Mist schreibt.

Vielleicht sogar mal eine Schreibübung machen, die mit dem eigentlichen großen Projekt gar nichts zu tun hat, um Finger und Hirnstränge quasi auszuschütteln. Autorin Helene Hegemann bestätigt, man könne ruhig mal 90 Seiten Unsinn fabrizieren, die man am Ende wegschmeißen muss. „Hartnäckigkeit schlägt Talent“, mahnt Paolini und Fitzek gibt an, dass er seine Bücher mindestens vier Mal bearbeitet, sobald sie fertig sind: „Der erste Entwurf ist immer Mist.“ Also: Durchhaltevermögen, auch mal schlechte Tage wegstecken, und: Nicht aufhören zu Schreiben.

Und was passiert bei der Schreibblockade?
Und was passiert bei der Schreibblockade?

Blockade?

Schweißausbrüche beim Anblick eines weißen Blatt Papiers, die sogenannten Schreibblockaden, sind nicht ungewöhnlich; die meisten Autor*innen machen diese Erfahrung früher oder später durch. Hat man nun aber keine fertige Grundstruktur, fällt das Entlang-hangeln daran natürlich weg. Was also tun, wenn man bei der Hälfte ist, alles im Rausch aufgeschrieben, und dann ist Stocken kommt? Wenn der Charakter die Entwicklung verweigert oder die Spannung entweicht wie Luft aus einem angepiksten Ballon? – Auch hier hilft ein bereits zu großen Teilen entwickelter Plan, sowie Austausch mit anderen und Durchatmen, wie bei jedem anderen Projekt auch. Oder den Schreibort an einen inspirierenderen wechseln.

Die Goldene Mitte?

Wer ist nun der bessere Autor, das Planungsgenie oder der kreative Kopf ohne Plan? Wie man einen Text oder ein Buch schreiben möchte, ob Hals über Kopf, oder kalkuliert Schritt für Schritt, muss schlussendlich jeder selbst entscheiden. Aus der Mehrzahl der Autorenmeinungen, die ich gelesen habe, schließe ich allerdings, dass es auf jeden Fall Sinn macht, sich eine grobe Struktur zurechtzulegen, bevor man mit seiner Geschichte anfängt. Das muss keine mikroskopisch genaue Mindmap sein. Manchmal sind die Überraschungen, die einem die eigene Geschichte bereiten kann, die allerschönsten. Eine ungefähre Fahrtrichtung jedoch hilft auch bei unvorhersehbaren Blockaden und Hindernissen weiter, die man umschiffen kann, ohne völlig die Orientierung zu verlieren; und dann kann man sich, wenn man das möchte, auch für weite Strecken einfach tragen lassen.

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